I. Tatbestand von § 823 I BGB
1. Rechtsgutverletzung
Unter einer Rechtsgutsverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB versteht man die Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter.1G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 1.
a) Leben
Verletzung des Lebens meint die Tötung eines Menschen.
2Wilhelmi in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 823 BGB, Rn. 16; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 3.b) Körper, Gesundheit
Eine Gesundheitsverletzung liegt vor, wenn die inneren körperlichen oder geistigen Lebensvorgänge eines Menschen derart gestört werden, dass eine medizinische Behandlung indiziert ist.
3BGH NJW 1991, 2347; BGH 114, 284; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 3; Wilhelmi in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 823 BGB, Rn. 19.Unter einer Körperverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB ist die Beeinträchtigung der äußeren, körperlichen Integrität zu verstehen. Der Begriff ist als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weit auszulegen. Schutzgut ist nicht nur die Materie, sondern auch das Seins- und Bestimmungsfeld der Persönlichkeit.4BGHSt 14, 269, 271; BGHZ 124, 54
c) Freiheit
Die nach § 823 I geschützte Freiheit wird nach h.M. eng als körperliche Bewegungsfreiheit verstanden.5G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 24; BGH NJW 2009, 3025; BGH NJW 1964, 650.
d) Eigentum
Eine Eigentumsverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB liegt immer dann vor, wenn in die Befugnisse des Eigentümers nach § 903 BGB eingegriffen wird. Das können der Eingriff in die Rechtsstellung des Eigentümers, die Verletzung der Sachsubstanz, der Entzug der Sache die Beeinträchtigung ihrer Nutzungs- und Gebrauchsfähigkeit, das Fotografieren einer fremden Sache sowie Immissionen sein.6BGH NJW 60, 860; BGH NJW 91, 696; Neuner JuS 05, 487; Wenzel NJW 05, 243 .
Ein Substanzsschaden liegt vor, wenn eine Einwirkung auf die Sache vorgenommen wurde und dadurch ein Schaden entstanden ist.7BGHZ 41, 123, 125 f.
e) Sonstige Rechte
Sonstige Rechte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB sind einzelne Persönlichkeitsrechte sowie Rechte, die eigentumsähnlich sind und die sowohl eine positive Nutzungsfunktion als auch absolute Abwehrbefugnisse haben.8RG 57, 353 [356]; G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 35.
(1) Besitz
Der Besitz ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über eine Sache und daher kein Recht. Der Besitz ist im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB nur geschützt, wenn er aufgrund eines obligatorischen Rechts ausgeübt wird, dem also Besitzer eine eigentümerähnliche Position verleiht.9Schulze-BGB/Staudinger, 8. Auflage Baden-Baden 2014, § 823 Rn. 35; Jahr AcP 183 (1983) 751; G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 44; BGH 62, 243; BGH NJW 1981, 750
(2) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Gegenstand des Schutzes des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist das Unternehmen, geschütztes Rechtssubjekt der Unternehmer. Darunter fallen alle natürlichen und juristischen Personen, Handels- oder BGB-Gesellschaften, die unternehmerisch tätig sind. Der gegenständliche Schutzbereich umfasst das existierende Unternehmen in seinem Bestand und in seiner Betätigung, das Unternehmen genießt also Bestands- und Funktionsschutz. Eingriffe i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB müssen sich spezifisch gegen den Betrieb richten, also gegen die Organisation oder die unternehmerische Freiheit und nicht nur einzelne Rechte oder Rechtsgüter betreffen.10BAG MDR 03, 753; BGH ZIP 06, 317; BGHZ 29, 65, 70; BGH v. 26.10.1951 - I ZR 8/51 - BGHZ 3, 270-285; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 38; Schmidt, JuS 1993, 985-992, 988
(3) Rahmenrechte
Unter dem Rahmenrecht versteht man als sonstige Rechte im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Sie sind offene Verletzungstatbestände, bei denen die Rechtswidrigkeit nicht bereits durch den deliktischen Eingriff indiziert ist, sondern das Rechtswidrigkeitsurteil auf der Grundlage einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung unter Einbeziehung der berührten Güter und Interessen des Verletzten, des Eingreifers und der Öffentlichkeit gefällt werden muss. 11BGH v. 13.03.1979 - VI ZR 117/77 - BGHZ 74, 9-20; BVerfG NJW 2001,594; BGH WM 1990,1167; BGHZ 73, 120; BGHZ 13, 334; BGHZ 24, 72.
Grundlage des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist jede natürliche Person. Methodisch betrachtet ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ im Wege der Rechtsfortbildung ein Anwendungsfall der sogenannten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, die zu einer Anwendung im Verhältnis zwischen Privaten führen. Als höchstpersönliches Recht ist es unvererblich. Die Rechtswidrigkeit wird nicht indiziert, sondern ergibt sich erst aus Güter- und Interessenabwägung. Dabei haben sich bisher folgende, nicht abschließende, Fallgruppen herausgebildet: Schutz vor einer Entstellung des Persönlichkeitsbildes - Schutz vor Ehrverletzungen und sonstigen Herabsetzungen - Schutz vor ungewollter kommerzieller Verwertung der eigenen Person - Geheimnisschutz und Schutz der informationellen Selbstbestimmung - Schutz vor Belästigung - Schutz der Entscheidungsfreiheit und der persönlichen Lebenssphäre im Übrigen.12BVerfGE 120, 180, 197; BGH 13, 334; G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 48; Staudinger/Hager (2017) C. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. C 15; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 28, Canaris, JuS 1989, 161-172, 163; Ehmann, JuS 1997, 193-203, 197; Degenhart, JuS 1992, 361-368, 365.
Das postmortale Persönlichkeitsrecht ist als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Es gewährt Schutz in Form von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen. Es wird aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet und schützt den Einzelnen auch über den Tod hinaus vor Angriffen gegen die Menschenwürde. Je weiter der Tod eines Menschen in der Vergangenheit liegt, desto geringer ist der Schutz. Eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist per se rechtswidrig, ohne dass es auf eine Güterabwägung ankommt.
13BGHZ 50, 133; BGH 06, 605, 607; BVerfG NJW 01, 594; GH v. 20.03.1968 - I ZR 44/66 - BGHZ 50, 133-147; BGH v. 08.06.1989 - I ZR 135/87 - BGHZ 107, 384-395; OLG Hamburg v. 08.05.1989 - 3 W 45/89 - NJW 1990, 1995-1996 - Heinz Ehrhardt; OLG Köln v. 24.09.1998 - 15 U 122/98 - NJW 1999, 1969-1970 - Konrad Adenauer.; M. Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1922 BGB, Rn. 1042. Verletzungshandlung
Eine Handlung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB ist jedes sozialerhebliche Verhalten eines Menschen, das der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegt und somit beherrschbar ist.
14NJW-RR 2003, 676-677.Umfasst auch die Verletzung von Organisationspflichten
Als Organisationspflicht bezeichnet man die Pflicht des Geschäftsherrn, für eine betriebliche Organisation und eine Überwachung der Gehilfen zu sorgen.15BGHZ 11, 151, 155 ff.
3. Haftungsbegründende Kausalität
Die Haftungsbegründende Kausalität ist der Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Rechtsgutsverletzung.
16J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 51.II. Rechtswidrigkeit
Rechtswidrig i.S.v. § 823 BGB ist jedes erfolgsursächliche Handeln, wenn bei dem Verletzer kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert nach der Lehre vom Erfolgsunrecht die Rechtswidrigkeit. Bei Rahmenrechten muss die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden.17Staudinger-BGB/Hager, 2009, § 823 Rn. H 14.
III. Verschulden
Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Tatbestandes in Kenntnis seiner objektiven Tatumstände. Der Vorsatz auf die Verletzung einer Leistungs- oder Verhaltenspflicht beziehen, nicht jedoch auf den hierdurch eintretenden Schaden. Auch bedingter Vorsatz genügt.18BGH 117, 368; Köln NJW 1976, 297; BGH 7, 313; NJW 1963, 380; BGH 34, 381; BGH 75, 329; BGH NJW 1965, 962; Westermann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 276 BGB, Rn. 7.
Fahrlässigkeit ist gemäß § 276 Abs. 2 BGB das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Ein Verstoß gegen das Sorgfaltsgebot liegt vor, wenn nach einem objektivierten Beurteilungsmaßstab der Handelnde in seiner konkreten Lage den drohenden Erfolg seines Verhaltens voraussehen und ihn vermeiden konnte. Die Annahme der Fahrlässigkeit setzt neben der Pflichtwidrigkeit die Vorhersehbarkeit und die Vermeidbarkeit des Erfolgseintritts voraus. 19BGH v. 21.05.1996 - VI ZR 161/95 - NJW-RR 1996, 980-981; Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 276 BGB, Rn. 8.
IV. Schadensersatz
1. Schaden
2. Haftungsausfüllende Kausalität
Die haftungsausfüllende Kausalität ist der Ursachenzusammenhang zwischen zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden.
20J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 165.3. §§ 249 ff. BGB
4. § 254 BGB Mitverschulden
Mitverschulden bedeutet, dass dem Geschädigten kein Anspruch auf Ersatz seines Schadens zustehen soll, als aus seinem Gefahren- und Verantwortungsbereich zusätzliche, für den Eintritt des Schadens erhebliche Ursachen hervorgegangen sind. Das Mitverschulden bemisst sich nach den konkreten Umständen und sorgt auf Rechtsfolgenseite für dessen quotenmäßige Aufteilung.21BGH 63, 189, 194; BGH 56, 163, 170; NJW 1974, 798; I. Ebert in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 254 BGB, Rn. 3.
Quellen:
[1] G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 1.
[2] Wilhelmi in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 823 BGB, Rn. 16; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 3.
[3] BGH NJW 1991, 2347; BGH 114, 284; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 3; Wilhelmi in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 823 BGB, Rn. 19.
[4] BGHSt 14, 269, 271; BGHZ 124, 54
[5] G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 24; BGH NJW 2009, 3025; BGH NJW 1964, 650.
[6] BGH NJW 60, 860; BGH NJW 91, 696; Neuner JuS 05, 487; Wenzel NJW 05, 243 .
[7] BGHZ 41, 123, 125 f.
[8] RG 57, 353 [356]; G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 35.
[9] Schulze-BGB/Staudinger, 8. Auflage Baden-Baden 2014, § 823 Rn. 35; Jahr AcP 183 (1983) 751; G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 44; BGH 62, 243; BGH NJW 1981, 750
[10] BAG MDR 03, 753; BGH ZIP 06, 317; BGHZ 29, 65, 70; BGH v. 26.10.1951 - I ZR 8/51 - BGHZ 3, 270-285; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 38; Schmidt, JuS 1993, 985-992, 988
[11] BGH v. 13.03.1979 - VI ZR 117/77 - BGHZ 74, 9-20; BVerfG NJW 2001,594; BGH WM 1990,1167; BGHZ 73, 120; BGHZ 13, 334; BGHZ 24, 72.
[12] BVerfGE 120, 180, 197; BGH 13, 334; G. Schiemann in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 823 BGB, Rn. 48; Staudinger/Hager (2017) C. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. C 15; J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 28, Canaris, JuS 1989, 161-172, 163; Ehmann, JuS 1997, 193-203, 197; Degenhart, JuS 1992, 361-368, 365.
[13] BGHZ 50, 133; BGH 06, 605, 607; BVerfG NJW 01, 594; GH v. 20.03.1968 - I ZR 44/66 - BGHZ 50, 133-147; BGH v. 08.06.1989 - I ZR 135/87 - BGHZ 107, 384-395; OLG Hamburg v. 08.05.1989 - 3 W 45/89 - NJW 1990, 1995-1996 - Heinz Ehrhardt; OLG Köln v. 24.09.1998 - 15 U 122/98 - NJW 1999, 1969-1970 - Konrad Adenauer.; M. Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1922 BGB, Rn. 104
[14] NJW-RR 2003, 676-677.
[15] BGHZ 11, 151, 155 ff.
[16] J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 51.
[17] Staudinger-BGB/Hager, 2009, § 823 Rn. H 14.
[18] BGH 117, 368; Köln NJW 1976, 297; BGH 7, 313; NJW 1963, 380; BGH 34, 381; BGH 75, 329; BGH NJW 1965, 962; Westermann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 276 BGB, Rn. 7.
[19] BGH v. 21.05.1996 - VI ZR 161/95 - NJW-RR 1996, 980-981; Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 276 BGB, Rn. 8.
[20] J. Lange in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 823 Abs. 1 BGB, Rn. 165.
[21] BGH 63, 189, 194; BGH 56, 163, 170; NJW 1974, 798; I. Ebert in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 254 BGB, Rn. 3.