I. Fallgruppen des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens
1. Ausnutzung einer Rechtsstellung
Das Ausnutzen einer formalen Rechtsstellung ist dann unzulässig und missbräuchlich, wenn der Gläubiger daraus Vorteile ziehen will, die in Widerspruch zu der entsprechenden Rechtsbeziehung stehen.1Schulze-BGB/Schulze, 8. Auflage Baden-Baden 2014, § 242 Rn. 34.
2. Widersprüchliches Verhalten
Widersprüchliches Verhalten bedeutet, dass sich jemand in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzt. Ein solches „venire contra factum proprium“ ist grundsätzlich unbeachtlich, sofern für die andere Seite ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder der Widerspruch aus anderen Gründen als treuwidrig anzusehen ist. Ob sich jemand zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt, bedarf der wertenden Beurteilung.
2BGH v. 25.01.1996 - VII ZR 26/95; BGH v. 08.05.2003 - VII ZR 216/02 - NJW 2003, 2448-2449; BGH v. 05.12.1991 - IX ZR 271/90; BGH v. 05.11.1992 - VII ZR 50/92; BGH v. 05.11.1992 - VII ZR 52/91 - BGHZ 120, 133-141; BGH v. 16.07.2014 - IV ZR 88/13 - BGHZ 202, 122-133; BGH v. 13.05.2015 - XII ZR 65/14- BGHZ 205, 301-319.3. Verwirkung
Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens verwandt. Von Verwirken spricht man, wenn eine Partei durch ihr erkennbares Verhalten bei ihrem Partner ein Vertrauen auf das Ausbleiben der Geltendmachung bestimmter Rechte ausgelöst hat.3Staudinger-BGB/Olzen, Berlin 2009, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 219; RG 155, 148, 152]; BGH 21, 66, 80; BVerwG NVwZ 1999, 658; L. Böttcher/G. Hohloch in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 242 BGB, Rn. 123.
4. Dolo-Agit
Dolo agit qui petit quod statim redditurus est bedeutet, dass das Beanspruchen einer Leistung, die sofort nach Erhalt zurückgegeben werden müsste, unzulässig ist.4OLG München, Urteil vom 30. April 2014 – 20 U 2680/13 –.
5. Unverhältnismäßigkeit
6. Rechtsformmissbrauch
Der Gläubiger kann in Ausnahmefällen auch die Mitglieder einer juristischen Person in die Haftung nehmen, sofern letztere rechtsmissbräuchlich verwendet wird.
5BSG NJW-RR 95, 730.7. Eigene Rechtsuntreue (tu-quoque)
Der tu-quoque Einwand steht einer Partei zu, wenn der Vertragspartner Rechte geltend macht, obwohl er sich selbst pflichtwidrig verhalten hat.
6Staudinger/Peter Huber (2014) D. Der Inhalt des Schuldverhältnisses, Rn. 64.II. Rechtsfolge
Gemäß § 242 ist grundsätzlich die Ausübung des Rechts dem missbräuchlich Handelnden verwehrt, bzww. der andere Teil darf sich auf ein an sich nicht bestehendes Recht berufen.
Quellen:
[1] Schulze-BGB/Schulze, 8. Auflage Baden-Baden 2014, § 242 Rn. 34.
[2] BGH v. 25.01.1996 - VII ZR 26/95; BGH v. 08.05.2003 - VII ZR 216/02 - NJW 2003, 2448-2449; BGH v. 05.12.1991 - IX ZR 271/90; BGH v. 05.11.1992 - VII ZR 50/92; BGH v. 05.11.1992 - VII ZR 52/91 - BGHZ 120, 133-141; BGH v. 16.07.2014 - IV ZR 88/13 - BGHZ 202, 122-133; BGH v. 13.05.2015 - XII ZR 65/14- BGHZ 205, 301-319.
[3] Staudinger-BGB/Olzen, Berlin 2009, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 219; RG 155, 148, 152]; BGH 21, 66, 80; BVerwG NVwZ 1999, 658; L. Böttcher/G. Hohloch in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 242 BGB, Rn. 123.
[4] OLG München, Urteil vom 30. April 2014 – 20 U 2680/13 –.
[5] BSG NJW-RR 95, 730.
[6] Staudinger/Peter Huber (2014) D. Der Inhalt des Schuldverhältnisses, Rn. 64.