Sonntag, 29. Oktober 2017

Die Schlüsselgewalt, § 1357 BGB - Teil II

Im ersten Artikel zur Schlüsselgewalt haben wir die ersten drei Prüfungspunkte behandelt. Hier stellen wir euch die Rechtsfolge und die dazugehörigen unterschiedlichen Meinungen ausführlich dar, damit ihr das Thema examensgerecht abhandeln könnt.

IVRechtsfolge

Bei Primäransprüchen gilt bei § 1357 BGB, dass beide Ehegatten als Gesamtschuldner verpflichtet werden. Eine Besonderheit ergibt sich jedoch daraus, dass Ehegatten in einem engeren Verhältnis zueinander stehen als gewöhnliche Gesamtschuldner nach § 425 BGB. Aus diesem Grunde kann jeder Ehegatte auch nach Vertragsschluss allein Willenserklärungen abgeben, die beide binden.

Infolge des Gesamtschuldverhältnis findet auch ein Gesamtschuldnerausgleich statt. Die Verteilung im Innenverhältnis richtet sich nach dem Unterhaltsrecht, §§ 1360, 1360a, 1601, es ist also ein anderes bestimmt, nach § 426 I 1.

1. Gläubigerstellung des Ehegatten

Umstritten ist, ob die Gesamtgläubigerschaftgem. § 428 BGB oder eine gemeinschaftliche Berechtigung gem. § 432 BGB angeordnet wird. 

Die Mindermeinung geht von einer gemeinschaftlichen Berechtigung beider Ehegatten im Sinne des § 432 BGB aus. Demnach kann der Schuldner zur Befreiung nur an beide Ehegatten gemeinschaftlich leisten und jeder Ehegatte die Leistung nur an beide fordern. Argumentiert wird damit, dass Geschäfte nach § 1357 BGB dem Zweck dienen, die sachlichen Voraussetzungen für die Betätigung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu schaffen. Deshalb stehen die Geschäfte den Eheleuten gemeinschaftlich zu, sodass § 432 BGB dieser Sachlage entspricht.


Die herrschende Meinung sieht die Ehegatten als Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB. Demnach kann der Schuldner mit Erfüllungswirkung an jeden Ehegatten einzeln leisten. Folglich kann auch jeder Ehegatte die ganze Leistung an sich fordern. Begründet wird dies damit, dass Ehegatten in höherem Maße als andere Mitgläubiger als selbständig handlungsberechtigte Organe einer Einheit zu betrachten sind. Es bestehe daher weder ein Anlass, Leistung an beide Ehegatten zu fordern, noch ist es besonders sinnvoll, vom Schuldner einen Leistungsvollzug zu fordern, dem er in der Regel der Fälle nicht entsprechen kann. Die Annahme einer Gesamtschuld spreche auch für die Annahme einer Gesamtgläubigerschaft, andernfalls würde es zudem zu einem Wertungswiderspruch zu § 1362 und §§ 1363II, 1414 BGB kommen, wonach nicht in größerem Umfang gemeinschaftliches Eigentum begründet werden soll. Für § 428 spricht zudem schon die gesetzlich angeordnete Subsidiarität des § 432 BGB. Der Zweck der Schlüsselgewalt besteht gerade in der Möglichkeit eines Ehegatten durch rechtsgeschäftliches Handeln auch den anderen zu berechtigen. Nur so wird die angestrebte Praktikabilität erreicht.

2. Ausübung von Gestaltungsrechten und einseitigen Erklärungen

Umstritten ist auch die Ausübung von Gestaltungsrechten (z. B. Anfechtung) und einseitigen Erklärungen (z. B. Mahnungen). Hier hängt es maßgeblich davon ab, ob die Ehegatten als Gesamtgläubiger nach § 428 BGB oder als gemeinschaftliche Gläubigergemäß § 432 BGB gesehen werden. Bei Gesamtgläubigern gilt das Prinzip der Einzelwirkung, das heißt jeder kann das Recht einzeln und ohne Wirkung für den anderen ausüben. Bei gemeinschaftlichen Gläubigern gilt das Prinzip der Gesamtwirkung, das heißt die Ausübung ist nur gemeinsam möglich und wirkt für beide. Einer vermittelnden Ansicht nach kann jeder Ehegatte allein eine Erklärung mit Wirkung für den anderen abgeben. Begründet wird diese Ansicht mit der besonders engen Verbindung der Ehegatten (vgl. oben zu § 425 BGB).

3.  Dingliche Wirkung des § 1357 BGB

Auch die Frage der dinglichen Wirkung der Schlüsselgewalt ist umstritten.Eine Meinung nimmt an, dass § 1357 BGB auch eine dingliche Wirkung entfaltet. Demnach werden bei der Übereignung beide Ehegatten Miteigentümer der Sache. Argumentiert wird hier, dass der gemeinsame dingliche Erwerb die notwendige Konsequenz ihrer gesamtschuldnerischen Haftung sei.


Einer anderen Meinung nach besitzt § 1357 BGB eine dingliche Zuordnung nach dem Surrogationsprinzip. Demnach fallen die nach § 1357 BGB erworbenen Gegenstände demjenigen zu, mit dessen Mitteln sie erworben wurden. In der Alleinverdienerehe erwirbt also der Alleinverdienende, in der Mehrverdienerehe beide Ehegatten nach Bruchteilen, das sogenannte Miteigentum nach §§ 1008 ff. BGB. Der Geschäftspartner übereigne an denjenigen, den es angeht, schließlich sei es ihm aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung gleich, an wen er übereignet. Dies ist im Zweifel derjenige, aus dessen Vermögen die zum Erwerb notwendigen Mittel aufgebracht wurden. 


Die herrschende Meinung verneint die dingliche Wirkung der Schlüsselgewalt. Jedoch seien bei Bargeschäften des täglichen Lebens die Grundsätze des Geschäfts an den, den es angeht zu berücksichtigen. So werden dem Wortlaut des § 1357 I 2 BGB nach "beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet". Dies spreche für eine lediglich schuldrechtliche Wirkung. Zum anderen bekenne sich das gesetzliche Güterrecht zu einem System der Gütertrennung, vgl. § 1362 BGB. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn durch § 1357 BGB gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten begründet würde. 

 V. Zusammenfassung:

Sobald die Voraussetzungen des § 1357 BGB vorliegen, wirkt dieser als gesetzliche Verpflichtigungsermächtigung und berechtigt und verpflichtet auch den anderen Ehegatten. § 1357 hilft in diesem Fall also über das fehlende Handeln in fremden Namen (vgl. § 164 ff BGB) hinweg und wirkt zusätzlich als gesetzliche Vertretungsmacht. Zudem entfaltet § 1357 BGB nach der wohl vorzugswürdigen Meinung keine dingliche Wirkung.